And the Oscar goes to… CDU & FDP für die beste Schmierenkomödie

Gepostet am: 15. Februar 2020 um 13:14

Ich habe lange überlegt, ob ich meinen Senf zu den Vorgängen rund um die Aufführung im Thüringer Landtag dazugeben soll. Zufälligerweise war ich an diesem Tag zu Hause und konnte alles zeitnah in TV und Internet verfolgen. Es ist ja keine neue Weisheit, dass man unmittelbar nach einem Ereignis mehr und direktere Informationen bekommt als Stunden oder Tage später, wenn plötzlich Fakten verschwiegen werden oder Argumentationsvorgaben von den Parteizentralen und ihren Meinungsmachern durch die Hierarchien wabern (dies ist übrigens immer sehr gut bei Facebook zu beobachten,wenn Parteimitglieder oder -sympathisanten plötzlich alle die gleichen Argumente verwenden).

Meine allererste Reaktion beim Anschauen der vermeintlich so geschockten Mainstream-Moderatoren: Das war ein gewaltiger Testballon, den das neoliberale Lager dort hat aufsteigen lassen! Man wollte einfach einmal austesten, wie rechts breite Teile der Bevölkerung nun wirklich sind, nachdem man jahrelang immer breitere Schichten in die entsprechende Ecke geschoben hat. Und als Labor hat man sich ausgerechnet den Ort ausgesucht, an dem zwei Extreme der deutschen Parlamentswirklichkeit aufeinander treffen. Den Landtag in Erfurt mit einem Linken als Ministerpräsidenten und einem echten Nazi als Führer der der größten Oppositionspartei. Ramelow gegen Höcke und dazwischen die mittlerweile verzwergten sogenannten Volksparteien. Alle unmittelbar nach diesem „Experiment“ geführten Interviews deuteten für mich darauf hin, dass es zweifellos Absprachen gegeben hatte, auch welcher Ebene auch immer. Der Skandal war mehr oder minder bewusst herbeigeführt worden und auch die Aufregung aller politischen Ebene in der Folge war okarverdächtig. Die Schockwellen erreichten in Rekordgeschwindigkeit die Berliner Parteizentralen und waren sogar im fernen Südafrika spürbar, wo Frau Merkel wieder mal ein Musterbeispiel ihres eigenen eigentümlichen Demokratieverständnisses ablieferte und forderte, dass die Wahl „rückgängig gemacht werden müsse“.

Natürlich wurden von der Mainstream-Presse keinerlei Recherchen bekannt, die darauf hindeuten konnten, dass die ganze Geschichte vorher abgesprochen wurde und der ganze Affentanz, den man in der Folge aufführte, ein Zeichen dafür ist, dass die Sache dann doch gewaltig aus dem Ruder gelaufen ist. Wahrscheinlich hatte der inzwischen zurückgetreten wordene (ich lass das mal so stehen) vormalige Ostbeauftragte (was macht so ein Mensch eigentlich den ganzen Tag?) Hirte das Drehbuch nicht richtig gelesen oder man hatte ihn von Anfang an mit Absicht „rausgeschrieben“. Jedenfalls musste er gehen. (Aber keine Angst, er wird so schnell nicht bei irgendeiner Tafel wegen Essen anstehen müssen.) Die CDU nutzte die Affaire, um der Laiendarstellerin an ihrer Spitze die eigene Unfähigkeit so deutlich vor Augen zu führen, dass sie selbst ihren Rückzug ankündigte. Verteidigungsministerin wird sie wohl noch eine Weile bleiben, anscheinend gibt es bei der Bundeswehr immer noch Bereiche, die weiter darauf warten, mit Volldampf vor die Wand gefahren zu werden.

Die lindnersche FDP mutiert nun zum greinenden Opfer, müssen sich ihre Mitglieder doch nun öffentlich als Nazis beschimpfen lassen (Man könnte hämisch anmerken, jetzt merken die auch einmal, wie sich das anfühlt). Ihr Kurzzeitministerpräsident Kemmrich bekommt Polizeischutz und kann so den Absturz in die Bedeutungslosigkeit noch ein wenig hinauszögern. Seine Rolle war die des klassischen Bösewichtes, der wie eine Silvesterrakete kurz hochsteigt, aufleuchtet und dann wieder steil nach unten fällt und schließlich als Sondermüll entsorgt wird. Cleverer hat sich da schon sein Parteivorsitzender präsentiert, der tags darauf flugs als Krisenmanager nach Erfurt eilte, um die scheinbar außer Kontrolle geratene mächtige Fünf-Personen-Fraktion wieder auf Linie zu bringen. Sein Statement vor der versammelten Weltpresse war mehr als bühnenreif. Trotz allem wurde und wird man den Verdacht nicht los, dass alles irgendwie eine gewaltige Inszenierung war.

Sollte dies wider Erwarten nicht der Fall gewesen sein, bedeutet das nichts anderes als dass die Parteien ihre eigenen Mitglieder nicht mehr im Griff haben und der Zerfall der parlamentarischen Parteiendemokratie nun auch die Kernelemente selbst erreicht hat. Das vielbeschworene Ende der „Volksparteien“ (ein Begriff, mit dem ich nie viel anfangen konnte) erreicht nun auch den Hort des Konservatismus, den Inbegriff von Nibelungentreue zur politischen Führung, die Christlich Demokratische Union. Sie gerät nun selbst in den Strudel, in den sie die bereits fast verblichene SPD schon vor Jahren gestoßen hat. Man wird sich vielleicht damit noch einige Zeit über Wasser halten, indem man den marktliberalen Zyniker Merz als neue neoliberale Wunderwaffe zum neuen Parteikönig ausruft. Aber auch dessen Stern wird irgendwann sinken und noch mehr Menschen werden sich vom politischen Establishment abwenden. Merz wird, ähnlich wie der völlig zu Unrecht hochgejubelte Macron in Frankreich, ein Kanzler der Reichen und Superreichen. Die Mainstream-Presse wird ihn feiern, während die einfachen Menschen recht bald auf unangenehme Weise die Folgen seiner Politik zu spüren bekommen werden.

Das Erfurter Experiment sollte dem geneigten Zuschauer zeigen, dass die sogenannte bürgerliche Mitte zunehmend von links und rechts in die Zange genommen wird und ihrerseits radikaler werden muss, um zu überleben. Man wird den Diskurs noch weiter verschärfen und die Spaltung der der Gesellschaft in immer kleinere Gruppen verstärkt vorantreiben, um sich so an der Macht zu halten. Was uns blüht, erleben wir in Frankreich, nur dass sich bei uns keine Hunderttausende auf der Straße versammeln werden, um gegen Sozialabbau und neoliberale Politik zu demonstrieren. Zu groß ist die Gefahr, dass ja ein paar AfD-ler darunter sein könnten, um die Proteste für ihre Zwecke zu „instrumentalisieren“. Da schweigt man lieber und schaut weiter den „Bachelor“, das „Dschungelcamp“ oder die „Tagesschau“.