Deutsche Journalisten lassen ihren Kollegen im Stich – peinlich oder erbärmlich?

Gepostet am: 30. September 2018 um 10:57

Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, wie erbärmlich der Zustand unserer ach so mutigen und vor allem kritischen Journalisten der Hauptstadtpresse in Wirklichkeit ist, dann haben sie ihn in dieser Woche geliefert.
Ein türkischer Journalist, der in Deutschland lebende Ertugrul Yigit, steht auf und zeigt der vor ihm stehenden Angela Merkel und ihrem Staatsgast, Präsident Erdogan sein T-Shirt mit der Aufschrift „Pressefreiheit für Journalisten in der Türkei“. Daraufhin packen ihn zwei Ordner und führen ihn aus dem Saal.
Soweit der Fakt. Gut belegt durch Kamera- und Fotoaufnahmen der zahlreich anwesenden Medienvertreter. Aber wie reagieren diese jetzt darauf, dass ein, wohlgemerkt akkreditierter, Kollege, also einer der ihren, aus dem Raum geführt wird? Außer verständnislosen Blicken und schnell geschossenen Fotos?
Zur Erinnerung: Als der deutsch-türkische Journalist Denis Yücel in der Türkei in Haft saß, verging kein Tag, an dem nicht die deutsche Presse in großer oder kleiner Aufmachung seine Freilassung forderte. Man wurde nicht müde, Erdogan zum Despoten, Autokraten, zum Diktator zu stempeln, der sein eigenes Volk unterdrückt und die Presse in seinem Land gleichschaltet.
Und nun wird hier, mitten in Deutschland ein kritischer Journalist aus einer Pressekonferenz entfernt, weil er den Mut hatte, den türkischen Präsidenten direkt mit seinem Tun zu konfrontieren und keiner, nicht ein einziger Vertreter der allgewaltigen deutschen Hauptstadtpresse, hat den Mut dagegen zu protestieren. Hätte es nicht den kollegialen Anstand erfordert, dass sämtliche Medienvertreter aus Protest die Pressekonferenz verlassen? Ist die Angst der Journalisten vor der ebenfalls anwesenden Bundeskanzlerin, vor Mutti, so groß, dass alle auf ihren Plätzen blieben und „business as usual“ betrieben? Wahrscheinlich lässt der Kampf für Pressefreiheit aus einer warmen Redaktionsstube heraus, verschanzt hinter einem Computerbildschirm, vortrefflich führen. Wenn es dann doch einmal konkret wird, wenn man selbst Gesicht zeigen muss, kickt man doch besser ein. Schließlich war die Kanzlerin zugegen, mit der legt man sich besser nicht an.
Dieser Vorfall wirft ein Schlaglicht auf den insgesamt mehr als desolaten Zustand der deutschen selbsternannten „Qualitätsmedien“, oder wie es mittlerweile doch treffender heißt, des „Mainstream-Journalismus“. Kritisch ist man nur noch, wenn es politisch opportun erscheint, wenn es gegen Putin geht, oder gegen die AfD, die Sachsen und meinetwegen auch gegen Erdogan, zumindest solange er nicht persönlich anwesend ist. Es drängt sich doch immer mehr der Eindruck auf, dass die deutschen Medien nur noch in die Richtung feuern, die von den Regierenden vorgegeben wird. Ansonsten hält man still.
Ich hätte mir ehrlich gewünscht, dass wenigstens eine deutsche Tageszeitung auf ihrer Titelseite ein Foto bringt, wie Ertugrul Yigit aus der Pressekonferenz gezerrt wird. Für jeden anständigen und ehrlichen Journalisten hätte er an diesem Tag zum Helden gekrönt werden müssen. Nichts dergleichen ist geschehen.
Traurige Zustände in Deutschland im Herbst 2018.