Ein wenig mehr Mangelwirtschaft täte der Welt gut

Gepostet am: 18. Januar 2020 um 12:32

Eins möchte ich gleich vorausschicken. Ich bin nicht der Meinung, dass die Menschheit am Abgrund steht und eine vom Aussterben bedrohte Spezies ist (logisch – allein mit dieser These mache ich mich schon angreifbar). Der Mensch hat seit Anbeginn seiner Existenz auf diesem Planeten in einzigartiger Manier bewiesen, dass er in der Lage ist, sich beinahe allen, noch so extrem scheinenden Lebensräumen und Umweltbedingungen anzupassen. Und das über hunderttausende Jahre nur mit primitivsten Mitteln und Methoden. Er hat die ganze Welt besiedelt, von den kältesten Gegenden in den Polarregionen bis zu den entlegensten Inseln im Pazifik. Und das ganze ohne Funktionswäsche mit Mehrfachmembran, ohne geländegängige Fahrzeuge und vor allem ohne GPS. Unsere Vorfahren haben sich vor allem auf ihren gesunden Menschenverstand und ihre Neugier verlassen. Und auf die Überzeugung, dass es dort hinter dem Horizont irgendwie weitergeht (wobei wir nie erfahren werden, wie viele Missionen gescheitert sind und nichts außer einem leeren Floß übrig geblieben ist). Aber diese Eigenschaften, gepaart mit anständiger Innovationskraft, haben den Homo sapiens sapiens schließlich erfolgreich gemacht. Die letzten zehntausend Jahre sind dann eigentlich schnell erzählt. Kämpfe um Besitz, Macht und später Geld, Missgunst und Kriege endeten schlussendlich in einem System, das wir heute als Kapitalismus kennen. Das Grundprinzip ist spätestens seit Karl Marx wahnsinnig einfach. Häufe Geld an, um dir damit Besitz anzueignen, der dir dann noch mehr Geld bringt und so weiter und so weiter. Profitgier hat als Wachstumsmotor der Gesellschaft die Neugier und den Entdeckergeist unserer Altvorderen abgelöst. Und die Jagd nach Geld und Macht nimmt inzwischen immer perversere Züge an. Wenn laut oxfam die acht reichsten Menschen der Welt mehr Vermögen besitzen als die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung, ist das ein Zeichen, dass inzwischen auf der Erde einiges gewaltig aus dem Ruder läuft.

Wenn die Jugend heute regelmäßig freitags die Rettung des Planeten anmahnt, ist das zwar lobenswert, geht jedoch um einiges am eigentlichen Problem vorbei. Hier werden Ursache und Wirkung verwechselt. Den jungen Leuten erklärt nämlich heute keiner so wirklich, dass das eigentlich Grundübel das System selbst, also der Kapitalismus ist. Würde man die Schüler heute mal wieder zum Studium der marxschen Lehren verdonnern, wäre zumindest den helleren Köpfen bald klar, dass es ebendieser Kapitalismus ist, der die Menschen auf Gedeih und Verderb zwingt, in immer kürzerer Zeit immer mehr Produkte zu immer günstigeren Preisen zu erzeugen und auf den Markt zu werfen. Und dadurch natürlich immer mehr Ressourcen verschwendet, immer mehr Müll produziert und die Umwelt und das Klima immer mehr belastet. Und niemand bei klarem Verstand kann freiwillig aus diesem Hamsterrad aussteigen, ohne dabei unterzugehen.

Ich bin in der ehemaligen DDR aufgewachsen (danke, kein Grund für irgendwelches Mitleid). Die war nun weiß Gott auch kein Musterknabe in Sachen Umweltschutz. Beileibe nicht. Wir mussten mit wesentlich knapperen Ressourcen auskommen, als unsere Brüder und Schwestern (Darf man das heute noch so sagen?) im Westen. Wir hatten nicht die Auswahl zwischen gefühlten 89 Sorten Joghurt oder 30 verschiedenen Kaffees (Ok, Kaffee in der DDR. Absolut vermintes Gelände!). Aber trotzdem ist, oh Wunder, niemand verhungert. Und es würde auch heute niemand sterben, nur weil das Konfitüre-Regal im Supermarkt seines Vertrauens vielleicht einen Meter kürzer wäre und er statt irgendwelcher Mango-Grenadine-Pfirsich-Avocado-Kreation einfach zu Kirsch- oder Erdbeer-Marmelade aus heimischem Anbau greifen müsste. Auch so ein Geheimnis des Kapitalismus. Viele Bedürfnisse, die man befriedigen will, müssen erst einmal künstlich und mit viel Aufwand erzeugt werden.

Natürlich haben wir damals mit großen Augen die tolle Technik bestaunt, die aus dem Westen kam. Nur um irgendwann festzustellen, dass man sie nur schwer bis gar nicht reparieren kann. Wer jemals versucht hat, einen simplen Fön auseinander zu bauen, der weiß, was ich meine. Spätestens in den 90gern kam dann auch noch die Erkenntnis dazu, dass viele der schönen Geräte kurz nach Überschreiten der Garantiezeit aus einem nicht erfindlichen Grund den Geist aufgaben und sich eine Reparatur nach einem Blick auf diverse Ersatzteil-Preislisten nicht mehr lohnte, weil neu kaufen einfach viel billiger war. (Nur mal nebenbei, wir nutzen in unserer Küche noch immer einen Multiboy von aka-electric, dem Ost-Pendant zur Moulinette. Und er funktioniert auch noch nach über 30 Jahren tadellos. Und das mindestens zwei- bis dreimal die Woche). Und spätestens da dämmerte es vielen, dass der Kapitalismus nur dann funktioniert, wenn immer wieder weggeschmissen und neu gekauft wird.

Und damit sind wir wieder beim besagten Grundübel, liebe fff-Demonstranten. Wir retten die Welt nicht, indem wir den Liter Diesel 10 Euro kosten lassen oder alle Veganer werden. Die Menschheit in der jetzigen Form überleben zu lassen wird nur klappen, wenn das System überwunden wird und etwas völlig neues entsteht.Und zwar eine Gesellschaft, in der eben nicht acht Menschen mehr Vermögen haben als vier Milliarden andere zusammen, sondern in der der Reichtum, der zweifelsohne da ist, gleichmäßiger verteilt ist. Aber das klingt ja schon wieder irgendwie nach (Gott sei bei uns!) Kommunismus. Und den hat euch bestimmt noch keiner so richtig erklärt.