Ist links noch links genug?

Gepostet am: 10. Februar 2019 um 15:26

Es hat lange gedauert, bis sich die Führung der Linkspartei zu den Protesten der Gelbwesten in Frankreich positioniert hat. Nachdem es zunächst sogar Demonstrationen dagegen gab, weil man einige Rechte innerhalb der Bewegung auszumachen geglaubt hatte und, noch schlimmer, einige AfDler in Deutschland in Warnwesten gesichtet wurden, rang sich Parteichef Riexinger dann irgendwann doch dazu durch, die Proteste in Frankreich zu begrüßen.

Dieser überaus peinliche Vorgang wirft ein Schlaglicht auf die derzeitige, ziemlich eigenartige Situation der Linken. Man könnte gut meinend sagen, die Partei ist in der Bundespolitik angekommen. Realistisch gesehen ist die Linke ein Teil des politischen Establishments geworden. Man hat sich arrangiert, Posten und Pöstchen ergattert und gilt nicht mehr als Schmuddelkind der Politik. Und dabei wird sie immer weniger unterscheidbar von den anderen Parteien des bürgerlichen Lagers. Einen ähnlichen Weg haben übrigens die Grünen hinter sich, die in den späten Siebzigern und frühen Achtzigern als Friedens- und Protestpartei gestartet sind und heute nicht nur über die Wählerschaft mit dem höchsten Einkommen verfügen, sondern auch Auslandseinsätze der Bundeswehr gutheißen und somit Verantwortung für den Tod deutscher Soldaten sind. Petra Kelly würde sich im Grab umdrehen.

Ganz soweit ist die Linke noch nicht. Derzeit ist sie damit beschäftigt, innerhalb von Partei und Fraktion aufeinander einzudreschen. Als Opposition ist die Partei in dieser Legislatur ein Totalausfall. Wo bleibt eine klare Positionierung gegen die Politik der Kanzlerin? Stattdessen geht man auf Kuschelkurs zur Regierung und beteiligt sich mit Verve daran, alles als „rechts“ zu brandmarken, was nicht dem aktuellen Kurs der Bundesregierung entspricht. Dabei macht man auch vor der eigenen Fraktionsvorsitzenden nicht halt. Sahra Wagenknecht, die sich im vergangenen Herbst aufmachte, eine neue linke Sammlungsbewegung zu gründen und vorsichtig anmerkte, dass beispielsweise die Aufnahmefähigkeit der deutschen Sozialsysteme ihre Grenzen hat, wird gnadenlos in die Nähe der AfD gerückt und gilt in den eigenen Kreisen bereits als rechts. So demontiert man zuverlässig die eigenen Führungsfiguren.

Das ist kein Zufall, sondern ein Resultat einer langjährigen systematischen Unterwanderung der einstigen Protestpartei. Statt knallharter Opposition in Zeiten von Globalisierung und zunehmender Umverteilung von unten nach oben, konsequenter Friedenspolitik angesichts zunehmenden Säbelrasselns gegenüber Russland und einer immer mehr anwachsenden, von den Herrschenden gewollter und beförderter, gesellschaftlicher Spaltung, schlägt die Partei lieber auf alle ein, die in ihren Augen nicht links genug sind. In den sozialen Medien wird eine Treibjagd auf Andersdenkende veranstaltet. Beliebt ist dabei die Mitteilung bei Facebook: „Du hast jemanden in deiner Freundesliste, der rechte Positionen teilt.“ Die „rechte Position“ ist dann oft eine mehr oder minder unverhohlene Kritik an Medienzensur oder Kritik an der Bundeskanzlerin. Ist das bereits eine linke Blockwartmentalität? Soweit ist es inzwischen gekommen, dass die Linke zu einer der konsequentesten Verteidigerinnen Angela Merkels geworden ist. Wahre Opposition geht anders.