Verpackungskapitalismus

Gepostet am: 2. Oktober 2019 um 14:36

Was hat man gelacht über die Ossis mit ihren Stoffbeuteln. Was hat man gespottet über die „Zonis“, die ihre Brötchen in einer Papiertüte vom Bäcker nach Hause trugen. Die DDR war gewiss kein Vorreiter in Sachen Umweltschutz und Nachhaltigkeit, doch zeigt sich in diesen Tagen, dass der „Verpackungskapitalismus“ mit all seinen Auswirkungen der den angeblichen Mangel verwaltenden Planwirtschaft hoffnungslos unterlegen ist. Dieses Mal sind es wir „alten weißen Männer“, das ausgewiesene Feindbild allen angeblichen Fortschritts, die den Finger heben können und sagen:

„Es war alles schon einmal da!“ Doch das will heutzutage wieder keiner hören. Stattdessen wird das Fahrrad mal wieder neu erfunden. Bloß nicht an die Tatsache erinnern, dass die ach so rückständige DDR in vielen Fragen dem angeblich gnadenlos innovativen Westen meilenweit voraus war. In meiner Jugend gab es keine in Folie eingeschweißten Gurken, keine gepellten Eier in Plastikverpackung. Die Milch kaufte man in Glasflaschen, die man wieder in den Laden zurückbringen konnte und Kaffee (ok, das ist ein Thema für sich) wurde weder in den unrecycelbaren „to-go-Bechern“ serviert noch in verrottungsbeständigen Plastekapseln angeboten, die sich heute milliardenfach zu Müllbergen auftürmen oder wahlweise als riesige Inseln in den Ozeanen treiben. Wer seinerzeit ein Plastetüte aus dem Westen sein Eigen nennen konnte, benutzte sie, bis irgendwann die Henkel durchgerissen waren. Von der Langlebigkeit diverser Küchengeräte (wir haben bei uns immer noch einen über 30 Jahre alten „Multiboy“ von AKA im Einsatz) gar nicht zu sprechen. Technik von damals ließ sich noch reparieren oder im ungünstigsten Falle zweckentfremdet umfunktionieren. Improvisation ist eine Kunst, die heute kam noch jemand beherrscht. Lieber wird weggeschmissen und neu gekauft. Das hält die Wirtschaft in Schwung.